Prof. Dr. Osman Eğri
Zu Beginn möchte ich einen Wunsch äußern: Ich wünsche allen am Coronavirus erkrankten Menschen schnellstmögliche Genesung. Hoffentlich wird bald ein Impfstoff gegen den Corona-Virus gefunden, der das Leben der Menschen und die Zukunft unserer Kinder bedroht, damit die Schöpfung des Herrn nicht in Gefahr gerät und Menschen sterben.
Sterben Menschen nur am Coronavirus? Natürlich nicht. Leider werden Menschen auch von ihren Mitmenschen getötet. In Hanau, in Syrien, in Libyen und anderswo töten sich Menschen gegenseitig, weil der andere anders glaubt, anders denkt oder eine andere ethnische Herkunft hat. Nun, was ist der Impfstoff gegen die Krankheit des Rassismus? Übereinander positiv denken und miteinander gut auskommen. Nicht ein Feind von Menschen sein, sondern ein Feind von Hass und Hetze.
Mevlana Celaleddin Rumi, der aus hunderten vergangenem Jahr die Liebe in unseren Herzen wiederbelebte, verdeutlicht die positive Haltung gegenüber andere mit folgendem Vergleich: „Wenn ihr Rosen und andere duftende Blüten vor euren Fenstern sehen wollt, dann sagt schöne Dinge zu euren Mitmenschen, denn dann wird in ihren Gesichtern Rosen erblühen. Wenn ihr aber schlechtes zu euren Mitmenschen sagt, da werden sie bei Nennung eurer Namen das Gesicht verziehen und sich von euch abwenden.“
Wenn wir unser Umfeld zu einem Blütengarten umwandeln wollen, dann kann uns das nur gelingen, wenn wir über Jeden schöne Worte sagen und über ihre guten Eigenschaften sprechen. Haben diese Menschen keine schlechten Eigenschaften? Selbstverständlich haben sie sie. Worauf es dabei ankommt ist der feste Glaube an das Gute, um die Neigungen des Herzens zum Guten zu bewegen. Wahres Geschick ist es, die Bosheit in den Herzen mit dem Gegenmittel der Liebe zu heilen.
Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow sagt in seinem Buch „Toward a Psychology of Being“, dass das Erwähnen von guten Eigenschaften die mentale Kraft der gemeinten Personen steigert Gutes zu tun und somit das Gute hervorbringt. Maslow verwendete es sogar als Heilmethode gegen negative Gefühle, Gedanken und auffälliges Verhalten.
Ein schönes Wort wird im Koran (14/24) als ein Baum beschrieben, dessen Wurzeln festsitzen und ihre Äste gen Himmel reichen. Ein schönes Wort ist wie ein Elixier, dass die ganze Erde umspannt, verschönert und zu einer Art Garten Eden auf Erden umwandelt. Ein schönes Wort ist wie ein in das Herz gesätes Saatgut. Es kann sogar jemanden zum Freund machen, der zuvor schlecht über einen dachte. „Nicht gleich sind die gute Tat und die schlechte Tat. Wäre mit einer Tat, die besser ist, (die schlechte) ab, dann wird derjenige, zwischen dem und dir Feindschaft besteht, so, als wäre er ein warmherziger Freund.“ (Koran, 41/34)
Im ersten Brief des Paulus an die Korinther (Kap.13,13) heißt es: “Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ Nach christlicher Überzeugung wünscht Gott von Menschen, dass sie sich in Gottes Namen lieben, aneinander helfen und auf diese Weise die Unsterblichkeit erlangen. Es gibt keine Religion, die ihren Anhängern den Hass auf Menschen empfiehlt.
In Wahrheit ist es der Schleier unserer Augen oder Vorurteile in unseren Herzen, dass die Menschen uns schlecht erscheinen lässt. Haci Bektasi Veli, der von Anatolien bis in den Balkan die Sinfonie der Liebe in die Herzen komponierte und seinen Orden zu einem Ort der Einheit, des Wohlstandes und der Brüderlichkeit verwandelte, macht folgende Feststellung: „Wenn dir ein Ort dunkel erscheint, dann wisse, dass der Schleier deinen Blick verdunkelt.“
Wenn jemand beim Anblick der Menschen das Licht sehen möchte, anstatt die Dunkelheit, sollte sich auf das Ur-Element des Menschen besinnen, die Erde. Genauso wie Mohammed sagte: „Oh ihr Menschen, werdet zu Geschwistern, denn ihr seid alle von Adam, und Adam wurde aus Erde erschaffen.“ Asik Pasa Veli, der im 17. Jahrhundert lebte, sagt: „Wer das Grundelement der Menschen, die Erde sieht, nimmt ihre Farben nicht wahr.“ Egal welche Hautfarbe ein Mensch hat, jeder einzelne Mensch ist ein einzigartiges Kunstwerk des Schöpfers.
Lasst uns dieser Tage, an denen der Klimawandel und Pandemien in unseren Herzen immer mehr Raum einnehmen, über die Metaphorik von Asik Pasa Veli nachdenken: „Wenn aus einem Berg ein Rinnsal Wasser heraustritt, kann er allein einen Fluss erreichen und ins Meer fließen? Sicherlich nicht. Viele Hindernisse wie Hölzer und Steine werden ihn zwingen wieder im Boden zu versickern. Wenn aber das Rinnsal Wasser bescheiden wäre und sich zu anderen Wässern beimischen würde, so könnte es stärker werden, zuerst den Fluss erreiche, um mit ihm ins Meer zu fließen.“
Das Rinnsal Wasser sind wir Menschen mit unseren unterschiedlichen Sprachen, ethnischen Wurzeln und unseren differenten Weltbildern. Das Meer ist unser alle Zukunft. Wenn wir unsere Herzen nicht durch die Impfung der Liebe gegen die Krankheit des Hasses immun machen, werden wir als gesamte Menschheit uns gegenseitig vernichten und so zu Erde zurückkehren. Wenn wir aber mit letzter Mühe es schaffen einander zu lieben und respektvoll miteinander umgehen lernen, werden wir wundervolle Zukunft errichten.
Warum sollte es nicht möglich sein? Gegen den rassistischen Angriff von Hanau sind unterschiedlichste Menschen für Demokratie, Pluralität und Menschenrechte zusammengekommen und die Straßen zu Flüssen verwandelt. Jetzt haben wir mehr Gründe hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen.
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